Pfarrkirche der Pfarrei Patersdorf
Kurze Beschreibung der Pfarrkirche St.Martin
Patersdorf wird als "Pateinsdorf" erstmals erwähnt im Urbar (Verzeichnis der Besitzungen und Abgaben) der Wittelsbacher Herzöge von 1301 bis 1307. Nach dem Aussterben der Grafen von Bogen im Jahre 1252 war deren Besitz in die Hände der Wittelsbacher übergegangen. Das Urbar zählt sieben Abgabe- und Zinspflichtige in "Paeteinsdorf" auf.
Um das Jahr 770 war das Benediktiner-Kloster Metten gegründet worden. Kaiser Karl III. bestätigte in einem Diplom vom 19.7.882 die Schenkung Kaiser Karls des Großen, die das Gebiet vom Vogelsang zum Hirschenstein im Süden bis zum Fluß Regen im Norden beiderseits der Teisnach dem Kloster übereignete. Allerdings enthält diese Urkunde keine Orts- und Personennamen.
So ist man bei der Frage nach der Entstehungszeit von Patersdorf auf Vermutun- gen angewiesen: Ortsnamen, die die Endung "-dorf" enthalten, sind auf das 9.Jh. zurückzuführen. Auf das 9. Jh. verweist auch der Patron der Kirche St.Martin. Er war der Schutzheilige des Frankenreiches.
Eine erste schriftliche Erwähnung des "St. Martins Gotteshauses" findet sich aber erst in einer Verkaufsurkunde vom 30.4.1394: Stefan, der Degenberger auf Altnußberg verkauft das "Lehen zu Teisnach dem lieben Sankt Martin".
Der älteste Teil der heutigen Kirche geht in diese Zeit zurück. Der Altarraum läßt noch die Grundform eines gotischen Baues erkennen mit Kreuzrippengewölbe.
1681 richtete ein überaus großer Schneesturm die Kirche übel zu. Eine aufwendige Erneuerung war notwendig, derentwegen der Pfarrer von Geiersthal eine Eingabe nach München machte. Vielleicht hat man gleich damals die Kirche erweitert. 1634 war ja bekanntlich das große Pestjahr gewesen und schon 1615 waren Pestbruderschaften enstanden und Wallfahrten hatten eingesetzt. Davon ist die große Kerze der Wallfahrer aus Regen in der linken Seitenwand ein unübersehbares Zeugnis.
Bei der Umgestaltung des Innenraums im 18. Jh. nach den Kriegs- und Pestzeiten wurden die gotischen Kreuzrippen abgeschlagen und der gesamte Innenraum mit Stuck und Fresken ausgeschmückt. Auf diese Zeit und die Wallfahrten zum Hl. Sebastian in Patersdorf bezieht sich auch die Inschrift am Chorbogen der Kirche. In den großen, rot hervorgehobenen Buchstaben (als römische Zahlzeichen zu lesen) verbirgt sich eine Jahreszahl: 1722
übersetzt:
"Mit Gottes gütigem Beistand
und den frommen Gaben für den Hl. Sebastian
wurde ich auf diese Weise ausgeschmückt"
1893 wurde der Turm neu errichtet, nachdem der alte längst baufällig war. 1908 hat man die Kirche nochmals erweitert, vom Seitenausgang nach hinten. Den alten Zustand kann man im Bild über dem Seitenausgang erkennen. 1930 schließlich konnte man den Erweiterungsbau mit Stuck und Freseken ausstatten. 1964 wurde Patersdorf, bisher Filiale der Pfarrgemeinde Geiersthal, deren Sitz inzwischen Teisnach geworden war, zur selbständigen Pfarrei erhoben. Eine grundlegende Renovierung der Kirche fand von 1990 bis 1993 statt.
Das Innere der Kirche:
Vom Patron der Kirche, dem Hl. Martin von Tours, erzählen das Altarbild und die Deckenbilder im Altarraum: von der Mantelteilung, der Heilung eines Blinden (rechts oben), der Heilung eines Besessenen (links oben), von Martins Sterbestunde (oben Mitte) und von seiner Aufnahme in das Leben des Himmels (Altarbild).An der linken Seitenwand sind zwei Heilige dargestellt, die auf die Not in Zeiten der Pest hinweisen: Kamillus von Lellis, der sich "Diener aller Kranken" nannte und Karl Borromäus, Kardinal von Mailand - zwei Fürbitter in der damaligen Gefährdung des Lebens durch die Pest.
An erster Stelle aber steht Sebastian. Im 3. Jh. Befehlshaber der kaiserlichen Leibgarde, wegen seines Bekenntnisses zu Jesus Christus zum Tode verurteilt, überlebte er die Pfeilschüsse der Soldaten des Kaisers Diokletian. Wieder genesen, stellte er den Kaiser zur Rede wegen der Christenverfolgung und wurde deswegen erschlagen, wie das Deckenbild im Kirchenschiff zeigt.
Bei Sebastian suchten die Menschen vor Jahrhunderten Zuflucht. Er sollte sie schützen vor den "heimtückischen Pfeilen der Pest". Die Not der Pestkranken ist auf dem großen Deckenbild in der Mitte der Kirche geschildert. Auf die Fürbitte Sebastians erflehen sie die Hilfe Gottes und Rettung aus der jähen Todesgefahr. In der Sebastiani-Bruderschaft verflichteten sie sich zu Gebet und Sakramentempfang insbesondere am Sebastianitag (20.Januar) und auch zu gegenseitiger Hilfeleistung. Bis ins 20. Jh. herein hatte die Bruderschaft Bestand. Heute, nach über 350 Jahren, kommen nur noch zwei Wallfahrergruppen nach Patersdorf.
Eindrucksvoll ist der ehemalige Bruderschaftsaltar, der linke Seitenaltar aus Stuckmarmor, einer fast unerschwinglichen Kostbarkeit für die damalige Zeit und diese Gegend.
In dieser Kirche sind wir umgeben von einer großen Schar von Heiligen. Für das 18. Jh. sind ganz wichtig die 4 lateinischen (westlichen) Kirchenväter: Augustinus, Abrosius, Hieronymus und Gregor (rechts und links oben in den medaillonartigen Deckenbildern) und dazwischen Maria bzw. Josef mit dem Kind. Über dem Seitenausgang dann noch Isidor ("Meines Stands ein Paur wahr, führ er uns zur Himmelsschar"): Ein Engel pflügt für ihn, während er betet.
Die anderen Bilder von 1930 zeigen die Namenspatrone ihrer jeweiligen Stifter: In der Mitte die Krönung des Hl. Kaisers Heinrich II. von Bamberg, an der Seitenwand Georg mit dem Drachen, dann Barbara mit dem Turm, Hedwig mit den Schuhen, Theresia mit den Rosen und Bruder Konrad von Altötting.
Das kleine Bild ganz oben im Hochaltar stellt St. Wolfgang dar, den Patron der Diözese; oben im Marienaltar Anna, die Mutter Mariens; oben im Sebastiansaltar den Bauernheiligen Rochus. Ebenso Bauernheilige sind die beiden äußeren Figuren auf dem Hochaltar: Wendelin, der Hirte, und Leonhard mit der Kette. Die beiden inneren Heiligenfiguren sind Benediktinerheilige: Benedikt mit Buch und Kelch und Bernhard mit dem Kreuz.
Nochmals ist Bernhard abgebildet an der Brüstung der Empore. Neben ihm folgt Norbert von Xanten mit der Monstranz. Dann folgt Ivo Helory, der Anwalt der Armen und Hilflosen in der Bretagne (1253-1303). In der Mitte Johannes Nepomuk, dann Wolfholdus von Hohenwarth (bei Ingolstadt), verstorben um 1100, dem sich nachts die verschlossenen Kirchtüren öffneten zum Gebet, dann Eulogius von Toledo, ein Märtyrer in Spanien zur Zeit der arabisch/islamischen Herrschaft und schließlich Egino, "Patron wider die Ehrabschneider", Abt in Augsburg, Opfer des Investiturstreites, verstorben und begraben in Pisa.
Die Künstler:
Die Bilder des Hochaltares und Sebastinialtares sind gemalt vom Hofwirt in Aicha an der Donau (gegenüber von Niederaltaich) Joseph Rauscher (1683 - 1744). Sie sind signiert und datiert mit 1722. Wahrscheinlich hat er auch die Fresken gemalt. Vom Hochaltar ist ein Kostenvoranschlag aus dem Jahr 1755 erhalten. Paul Hager aus Kötzting hat den Altar ausgeführt mit den vier Figuren. (Sein bekanntestes Werk ist die "Firscherkanzlei" in der Wallfahrtskirche Weißenregen bei Kötzting)Eine Kirche ist nicht bloß eine Sehenswürdigkeit und steingewordene Geschichte. Sie ist das Glaubenszeugnis der Menschen vergangener Zeiten. Sie haben alles daran gesetzt, ihrem Glauben sichtbaren Ausdruck zu geben. Dieser Glaube lebt noch heute in der Gemeinde, die sich in dieser Kirche zum Gottesdienst versammelt. Jede Kirche ist zudem ein Ort, der Ehrfurcht gebietet. Zwar ist Gott uns Menschen überall nahe. Aber an bestimmten Orten sind wir Menschen viel aufgeschlossener für Gott. Mit Jakob, einem der Stammväter Israels bekennen wir: "Wie ehrfurchtgebietend ist doch dieser Ort! Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels." (Gen 28,17) und "Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein." (Off 21,3)
von Hans Peter Bergmann, ehem. Pfarrer vom Patersdorf, 2002